Größenwahn zum Anfassen – Q11-Exkursion zum ehemaligen Reichsparteitagsgelände Nürnberg

In aller Frühe starteten am 14. April 2016 drei voll beladene Busse vom Priener Charivari-Parkplatz. Drei Stunden und etliche Staus später standen alle Schüler der elften Jahrgangsstufe endlich vor dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Aus logistischen Gründen wurde die Q11 in zwei große Gruppen aufgeteilt, die die beiden Programmpunkte „Dauerausstellung im Dokumentationszentrum“ und „Führung über das ehemalige Reichsparteitagsgelände“ jeweils in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen sollten.

Unsere Gruppe begann mit der Ausstellungsbegehung. Vielschichtige Einblicke in die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland eröffneten sich uns hier und insbesondere die Rolle des Reichsparteitagsgeländes wurde eingehend beleuchtet. Zwar konnten innerhalb des recht begrenzten Zeitrahmens bei Weitem nicht alle der vielen Details betrachtet und aufgenommen werden, dennoch verließen wir das Informationszentrum voll neuer Eindrücke.

Nach einer längeren Pause, in der wir uns um unser leibliches Wohl kümmern konnten, ging es für beide Gruppen in die jeweils zweite Runde.

Uns erwartete die Führung über Teile des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes, organisiert vom bildungspolitisch engagierten Verein „Geschichte für alle“. Von der Kongresshalle aus besichtigten wir Etappe für Etappe die umliegenden monumentalen Bauwerke, ergänzt mit zahlreichen Zahlen und Fakten zu den Gebäuden bzw. geplanten Bauwerken und Erklärungen zu den jeweiligen Hintergrundgedanken. So erfuhren wir unter anderem, dass allein die Kongresshalle Milliarden von Reichsmark verschlungen hätte oder dass absurd anmutende Wettkämpfe wie Handgranatenweitwurf im überdimensionalen Deutschen Stadion hätten ausgetragen werden sollen – sofern all dies fertiggestellt worden wäre.

Die geschickte und symbolträchtige Inszenierung der faschistischen Propagandamaschinerie brachten uns vor allen Dingen zwei Baumaßnahmen nahe: Die Kongresshalle wurde bewusst am Ufer eines Sees platziert, damit sich der Eindruck der Größe durch die Spiegelung im Wasser regelrecht verdoppelt. Beim Zeppelinfeld hingegen wurde auf die kraftvolle optische Wirkung von raffiniert genutzten Lichtinstallationen gesetzt. Abschließend verwies unser ambitionierter Gruppenleiter auf die Brisanz der Themen rechtsradikaler Gruppierungen, insbesondere in der aktuell aufgeheizten Flüchtlingsdebatte, und unsere dementsprechende Pflicht, uns darüber Gedanken zu machen. 

All dies gab uns sinnliche Impressionen vom Größenwahn des Nationalsozialismus und den manipulativen Effekten der gigantischen Inszenierungen – sinnlich im Sinne von Wahrnehmung der Größe des Geländes mit allen Sinnen, nicht nur über Medien. Filme über den wahrscheinlich schrecklichsten Abschnitt der deutschen Geschichte haben wir alle schon gesehen. Das reale Erleben anhand bewusster Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände offenbart allerdings eine ganz andere Dimension.

Nach der recht langen nächtlichen Heimreise lautete unser Résumé, dass sich der große zeitliche Aufwand trotzdem vollends ausgezahlt hatte. Auch heute noch ist es wichtig, sich mit dem Nationalsozialismus differenziert auseinanderzusetzen – die Besichtigung des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg leistet dazu einen bedeutenden Beitrag.